Entlastung durch Ordnung im Homeoffice

Carolin • 4. Februar 2022

Wie du durch Digitalisierung und Ordnung im Haushalt dich selbst entlastest. Tipps und Tricks.

Das brauche ich doch irgendwann noch einmal!

Vor ein paar Jahren wurde die Netflix-Serie mit Marie Kondo sehr gehyped (1). Marie Kondo  schrieb das Buch Magic cleaning über das Aufräumen und das Ausmisten von Dingen und feierte damit internationale Erfolge. In der Serie entrümpelt sie die materialistischen Häuser kalifornischer Paare. Diese ist übrigens noch immer auf Netflix verfügbar, wenn irgendwer Interesse hat.

Somit ist dieser Artikel vielleicht grade richtig zum sogenannten „Frühjahrsputz“, wenn man vielleicht noch hochmotiviert ist alles Auszumisten, insbesondere das viel zu zugemüllte Lehrer:innen-Arbeitszimmer, das man ja eigentlich schon immer digitalisieren wollte, aber irgendwie dann doch nicht dazu kam. Man könnte ja Unterrichtsmaterial noch IRGENDWANN gebrauchen und Papeterie ist doch SO schön. Schön ist das Ganze so lange der eigene Besitz nicht anfängt zu belasten und man irgendwie nie in Unterrichtsmaterial xy hineinsah, bei dem man vor ein paar Jahren noch sagte, dass man dies auf jeden Fall benutzt, dies aber doch nur in der Ecke herumliegt. Aber wie das bei viel Krams, den man zu Hause stehen hat so ist: aus dem Auge aus dem Sinn und die Zeit sich alles wirklich haarklein anzusehen und für den Unterricht zu verwenden, hat man dann im Unterrichtsalltag doch nicht.


Minimalismus als Konzept

Marie Kondo, die für das Konzept des Minimalismus steht, hat dies zwar als Konzept auf die Serienleinwand gebracht, jedoch ist das Konzept des Minimalismus, worum es in meinem Artikel im Großen und Ganzen geht, nicht neu und zwar schon bei den alten Griechen (z.B. Plutarch) bekannt gewesen. Plutarch kritisierte die sog. „Unstillbarkeit des Verlangens“ und warb für den Minimalismus als Konzept. Epikur hingegen machte Konsum und Spaß zu seiner Philosophie. Heute bezeichnen wir ein solches Konsumverhalten Hedonismus oder das Abstumpfen durch den Konsum hedonistische Tretmühle. Wir empfinden also z.B. nur am Anfang ein kleines Glücksgefühl wenn wir z.B. ein Handy kaufen. Nach ein paar Tagen ist es dieses Handy bereits Selbstverständlichkeit. Mittlerweile konnte man in Hirnscans messen, dass beim Kauf einer Sache (z.B. das besagte Handy) Dopamin im Hirn ausgeschüttet wird und uns ein kleines Glücksgefühl bereitet. Jedoch wird dieses Dopamin nicht weiter ausgeschüttet, wenn wir dies besitzen, es sei denn wir betreiben bewusst Dankbarkeitspraxis für das was wir haben und besitzen (z.B. durch Meditation). 

Als ich mich vor Jahren im Ethikunterricht mit dem Thema Glück und Minimalismus auseinandersetzte, ich mir Hirnscans und als Chemikerin die biochemische Welt ansah, gab mir mir das Befassen mit der Thematik zu Denken. Ich entschied mich somit schon vor dem Marie Kondo-Hype für Minimalismus und Ordnung im Arbeitszimmer.


Warum die Aussage „Ich kann nicht ordentlich sein!“ quatsch ist und wie Ordnung gelingt! 

Wer mich sehr lange kennt, weiß, dass ich nicht immer so ordentlich war wie ich es jetzt bin. Wer mich nicht so lange kennt, äußert auch mal Worte wie: „Jaja ist klar! Du und unordentlich. Ich lache gleich.“ Wenn ich entgegne, dass es ja nicht immer so bei mir aussah und es früher zu Beginn meines Studiums aussah, als ob bei mir eine Bombe eingeschlagen hätte, schauen die Menschen nur verwirrt. Alles lag auf dem Boden (insbesondere Kleidung) und ich hab in meinem kreativen Chaos eigentlich auch nichts (naja manchmal schon und dann sehr stolz) wiedergefunden. Ich habe mich immer gefragt, wie Ordnung halten  gehen solle. Meine ganze Familie war doch ordentlich. Warum konnte ich also nicht ordentlich sein? Vielleicht war ich auch einfach unordentlich und ich müsse das akzeptieren? So oder so ähnlich lauteten meine destruktiven Gedanken. 

Ich habe in meiner ersten WG, noch bevor ich mir Wissen zu diesem Thema aneignete und mich auch mit psychologischen Faktoren beschäftigte, alle vier Wochen meine Möbel umgestellt und war nie zufrieden mit meinem „Raumkonzept“. Schon früh interessierte ich mich für Inneneinrichtung und versuchte es mir mit meinen begrenzten Mitteln so schön wie möglich zu machen. Nur das Aufräumen klappte irgendwie nicht. Ich fühlte mich mit meinen gekauften Möbeln ja eigentlich sehr wohl, da ich sie (im Gegensatz zu denen meines damaligen Kinderzimmers) selbst aussuchte und stolz von meinem eigenen Geld bezahlte. Das wäre also der erste Tipp, den ich geben kann: fühle dich mit deinen Möbeln und deinen Dingen, die du besitzt, wohl.

Ich verabschiedete mich irgendwann von meinem offenen Kleiderschrank (aka Billyregale) und kaufte mir eine Kommode. Das war glaube ich der zweite Schritt zu mehr Ordnung: vermeide offene Systeme und positioniere nur „Lieblingsstücke“.

Einer der wichtigsten Tipps ist nämlich beim Ordnung halten: jedes Teil, das du besitzt, muss einen festen Platz erhalten. Wenn es dies nicht hat, entsteht Unordnung. Seitdem ich das weiß, hat alles bei mir einen festen Platz und Ordnung halten ist sehr leicht. 


Das Wichtigste beim Ordnung halten: ausmisten und ggf. digitalisieren

Das Anschaffen und das Bestücken einer neuen Kommode oder eines neuen Regals hilft auch nicht immer nicht den Überblick über die eigenen Dinge zu bewahren, die doch irgendwann herumfliegen, vor allem wenn deine Wohnung zu klein ist, um alles unterzubringen was du hast oder auch dein Besitz sich immer weiter vergrößert. Somit kommen wir wieder zum leidigen Thema, nämlich dem Ausmisten! 

Sein wir mal ehrlich: die Meisten von uns haben viel zu viele Dinge, die wir eigentlich gar nicht brauchen oder nur besitzen, weil, naja, weil einfach. Vielleicht ohne Grund. Vielleicht haben wir noch nicht die Energie aufgebracht die eigenen Dinge zu sortieren, zu katalogisieren oder wir erzählen uns die Geschichte wieder und wieder, dass wir das Ganze irgendwann ja doch noch gebrauchen könnten. 

Letzteres ist ein wunderbares Lehrer:innen-Phänomen. Vielleicht entsteht dieses Mindset bei Lehrkräften auch, weil diese im Schulsystem stets Dinge selbst bezahlen müssen und auch Kolleg:innen ihre eigenen Stifte oder ihr eigenes Papier mit zur Arbeit bringen. Wie ein Eichhörnchen werden dann z.B. Zahnstocher für den nächsten Kastanienmännchenbauwettbewerb gehortet, um sie nicht selbst bezahlen zu müssen. Dies vielleicht die logische Konsequenz aus dem systemischen Problem im Bildungssystem und war auch lange mein Mindset. 

Ich sehe häufig Arbeitsbereiche von Kolleg:innen, die von Ordnern und Material überquillen, sie jedoch nicht wissen, wo wirklich irgendetwas zu finden ist und was sich letztendlich in besagten Ordnern befindet, wenn sie noch kein System für sich gefunden haben. Aus dem Auge, aus dem Sinn. Vielleicht weiß man an einem Punkt auch nicht mehr wohin man bestimmte Gegenstände legen soll, da das Regal bereits voll ist. Wie ich schon oben beschrieben habe: Unordnung entsteht nicht, weil die DVD’s, die in Regal xy stehen, auf einmal aus dem Regal fallen, sondern, die Dinge, die man besitzt keine festen Plätze haben.

Was ich daher nach dem Referendariat machte: meinen Unterrichtsmaterialien feste Plätze zuweisen und die meisten digitalisieren. Alle meine Unterrichtsmaterialien schob ich zudem in meine Dropbox. Hier habe ich ein Ordnersystem, das nach und nach wächst und noch nicht „perfekt“ am Ende angekommen ist, von dem ich aber auch von überall zugreifen kann.

Ich besitze zu Hause mittlerweile nur noch vier Ordner für die Schule: einen Ordner für allgemeinen Schulkram, einen für das Ethikmaterial, einen für das Material Chemie Sek. I und einen für die Sek. II. Viele Bücher und Arbeitshefte habe ich am Rand mit der Schneidemaschine getrennt und diese im Schulscanner im Seiteneinzug doppelseitig digitalisiert. Eine „Sicherheitskopie“ von deinen gekauften Materialien zu machen ist urheberrechtlich erlaubt. Jedoch solltest du diese Materialien nicht anderen Menschen freigeben. Nach dem Referendariat nahm ich mir Zeit Dinge nach und nach einzuscannen und warf (ich wog es aus Spaß) 42 kg Papiermüll weg. Meine neuen Hefte digitalisierte ich ebenfalls nach und nach. Ich fragte mich: brauche ich das wirklich in Papierform oder reicht es digital auf meinem PC? Auch ich habe noch Hefte zu Hause, habe mir aber die Regel gesetzt: wenn ich mehrere Jahre ein Heft nicht in der Hand hatte und mein Büro somit für mich eher belastend ist, wird es entweder weggeschmissen oder es wird digitalisiert. Ganz nach dem Spruch von Marie Kondo: does it spark joy? Bringt es mir wirklich Freude oder belastet mich noch? Sich diese Frage immer mal wieder für eigene Dinge zu stellen, empfinde ich sehr befreiend.


Für diejenigen, die Probleme mit dem Wegwerfen haben:

Ich musste sehr schmunzeln und fand es schon fast lächerlich, dass Marie Kondo vorschlug sich bei jedem Gegenstand zu bedanken, den man weggibt oder wegschmeißt. Sich bewusst zu machen, dass jeder Gegenstand einen Zweck erfüllt oder vielleicht schon erfüllt hatte, fand ich schon ansprechender. Meine Aufräum-Achillesferse sind meine Ansichtskarten und alte Briefe. Meine Kiste mit Briefen und Karten quoll irgendwann so über, dass ich mir vornahm keine neue Kiste aufzumachen, sondern die alte Kiste auszumisten. Das fiel mir unfassbar schwer. Der Gedanke, dass diese Ansichtskarten ihren Zweck bereits erfüllt hatten, nämlich mir bereits Freude bereiten als ich sie erhielt, half mir. Tatsächlich probierte ich die Methode mit dem Bedanken aus, da es mir wirklich schwer fiel die Karten wegzuwerfen. Ich bedankte mich bei jeder Karte, die mir keine große Freude mehr brachte (nicht wie z.B. alte Liebesbriefe, die ich nicht wegwerfen würde) und ich erhielt tatsächlich nach jedem lauten Danke sagen ein zusehends besseres Gefühl. Heute bedanke ich mich bei Karten, bevor ich sie wegwerfe, es sei denn ich pinne die Karte an meinem Kühlschrank oder ich find sie aus anderen Gründen „joyful“.


In die Falle, die viele tappen

Eine Falle, in die viele Menschen tappen ist ihr eigenes Anspruchdenken. Wenn ich jetzt aufräume und digitalisiere, Gegenstände in Kisten verstaue, dann muss alles sofort geschehen. Ordnung halten ist jedoch ein Prozess und geschieht nicht unbedingt von heute auf Morgen. Auch ich arbeite immer weiter an meiner digitalen Organisation oder behalte manchmal Hefte unter dem Motto „das brauche ich doch GANZ BESTIMMT nochmals!“ Es geht beim Ordentlich-Sein nicht um Perfektionismus, sondern um Prioritäten und um einen wachsenden Prozess. Mach dich nicht fertig, nur weil du dein Büro nicht „instagrammable“ aufgemotzt hast und Dinge herumliegen. Sei gut und liebevoll zu dir!


Zusammenfassend noch ein paar Tipps:

Zusammenfassend habe ich nun ein paar Tipps notiert und auch ein Video von Jasmin Ahrensmeier von @teaandtwigs (Video ist von 2016 unten in der Quelle 2) ein paar verlinkt. Die Tipps von Jasmin hab ich mit eigenen Erfahrungen ergänzt.

Tipp 1: Alles, was mit einem Handgriff ablegen kannst, kannst du auch an den Platz zurückräumen. Das spart dir im Nachgang viel Zeit und es sammeln sich nicht so viele Dinge auf einmal.

Tipp 2: Alles was ihr unter einer Minute erledigen könnt, werden sofort erledigt. 

Tipp 3: Mache dir Aufräumen zu einem positiven Erlebnis und zwar nur 15 Minuten am Tag mit deiner Lieblingsmusik oder einem netten Podcast.

Tipp 4: Mach dir eine Kalenderinfo mit Dingen, die nicht so häufig anstehen wie z.B. den Backofen sauber machen oder Regale auswischen. 

Tipp 5: Habe dort deine Utensilien, wo du sie brauchst bedeutet, dass du lange Wege vermeidest. Wenn du erst in den Keller laufen musst, um Ordner xy zu holen, hast du weniger Lust als wenn du diesen direkt zur Hand hast.

Tipp 6: Digitalisiere deine Materialien trenne dich von Dingen, die du lange nicht mehr in der Hand hattest. Nutze ein Ordnungssystem auf deinem Computer und/oder einer Cloud-Variante.

Tipp 7: „Keep what sparks joyalso behalte nur genau das, was dir Freude bereitet!

Tipp 8: Was du seit 2 Jahren nicht mehr in der Hand hattest, kann weg es sei denn es bereitet dir wie z.B. das Beispiel mit den Liebesbriefen noch sehr viel Freude!

Tipp 9: Dieser Tipp ist für Menschen, die z.B. du mit ihrem/ihrer Partner:in zusammenwohnen. Der Haushalt oder das Aufräumen gerade jetzt im Home Office bietet sehr viel Konfliktpotential. Insbesondere Frauen haben internalisiert, dass sie eher für den Haushalt zuständig sind. Heterosexuelle Partner:innenschaften leben noch immer statistisch gesehen nach einer klassischen Rollenverteilung, wo Frauen die meiste Care- und Haushaltsarbeit leisten. Ich höre noch immer häufig von Frauen den Satz, dass ihr Partner ihnen ja so viel „mithelfe“. Dieses Mindset ist uns durch Sozialisierung und die dadurch entstehenden Glaubenssätze stark eingeprägt. Sich jedoch immer wieder zu sagen, dass der Gegenüber ja „genauso hier wohnt und nicht mithilft“ ist der erste Schritt zur paritätischen Aufteilung der Ordnungsarbeit.


Viel Spaß beim Frühjahrsputz und beim Ordnung halten, da Ordnung lt. neusten psychologischen Studien den Geist entlastet und den Mental load mindert.


Quelle:

(1) https://www.zeit.de/kultur/film/2018-12/aufraeumen-marie-kondo-netflix-serie-beseitigung-altlasten-entruempelung

(2) https://www.youtube.com/watch?v=hl7A8WL98GM